„90 Minuten Südamerika“

Mal was abseits des Alltagsgeschäfts. Wäre direkt nach Saisonschluss vielleicht noch passender gewesen, um den werten Lesern einen Buchtipp für die fußballlose Zeit an die Hand zu geben. Aber wenn ich die 150 Seiten in acht Tagen bewältigt habe, dann schafft ihr das bis zum Bundesligastart locker.

Ich bin kein besonders schneller Leser, es ist ziemlich mühselig, wenn ich mich durch die Seiten quäle. Da vergeht schon mal eine Saison, um in den Fußballjargon einzusteigen, ehe ein Buch zur Seite gelegt werden kann. Vielleicht liegt es an den Themen, ich weiß es nicht, aber das Fußballbuch (der Autor selbst bezeichnet es nicht so!) von Mark Scheppert war innerhalb einiger Tage bewältigt.

Worum geht es bei “90 Minuten Südamerika”? Es ist eine Mischung aus Tagebuch, Reiseführer und Fußballgeschichte. Scheppert hat seine Urlaube in Südamerika niedergeschrieben und dabei Verbindungen zum Sport mit dem runden Leder geknüpft. Hatte ihn die WM 1990 noch gar nicht interessiert (milde ausgedrückt), so sind seine Reisen in den kommenden Jahren immer stärker vom Fußball geprägt. Es ist Gesprächsthema, ein Grund den Wecker mitten in der Nacht zu stellen und allein mit der Freundin in einem Strandcafé zu sitzen. Hauptsache, man fiebert auch tausende Kilometer entfernt mit.

Begleitet wird er oft und gern von seinen besten Freunden, Alkohol und etlicher Frauengeschichten. Es ist ein Einblick in seine Jugend und in die Menschen des Kontinents. Immer direkt, immer ehrlich. Und hoffentlich mit den richtigen Visionen. Denn ein Priester, eine Vogelspinne und ein Riesenkrebs sagten schon vor Jahren voraus, dass Deutschland erst 2014 wieder Weltmeister werden wird!

Ein wenig mehr zum Buch verrät der Autor am besten selbst.

Spielfeldrand: „Was mich am Meisten interessiert: Sind das alles wirklich wahre Begebenheiten? Das Buch liest sich schon, wie ein Tagebuch, aber manche Geschichten sind fast schon zu heftig, um wahr zu sein. Wie viel ist also Realität und wie viel Fiktion?“
Mark Scheppert: Die Geschichten im Buch sind zu 95 % authentisch und genauso passiert. Es sind ja Reiseerlebnisse aus 20 Jahren und bei jeder einzelnen Tour ist immer etwas besonders und außergewöhnliches geschehen. Oft eben nur ein, zwei Storys und manchmal auch mehr.
Die Tour 2000 war eigentlich das Highlight. Den Handtaschenjunge, Pizzabäcker Friedrich, den Backpackerscheiße-Franzosen, die Ex-Freundin vom Stuttgarter und Big Lebowski haben wir dort tatsächlich alle innerhalb von drei Wochen getroffen. Im Gegensatz dazu sind von meiner Weltreise 2006 (wir waren davon immerhin 5 Monate in Südamerika) vergleichsweise wenige Geschichten im Buch.

Spielfeldrand: „Du gehst teilweise sehr ins Detail. Hast du die Texte teilweise schon während oder direkt nach den Urlauben geschrieben oder musstest du zur Fertigstellung des Buches lange in der Vergangenheit schwelgen?“
Mark Scheppert: Leider habe ich – bis auf die Weltreise – nie ein Tagebuch geführt, sodass ich zumindest für einige Geschichten etliche Reiseführer wälzen musste, um bestimmte Routen nochmals nachzuvollziehen. Andererseits erzählten wir (Jenna, Matze, Göte, etc.) uns die Geschichten schon seit Jahren immer wieder, sodass ich die Storys nur noch aufschreiben musste. Saufroh bin ich übrigens darüber, dass besonders meinen Kumpels das Buch gefallen hat. Nur Göte meckerte: „Jeden Scheiß, der irgendwann mal einem von uns passiert ist, hast du mir übergeholfen…“ (das sind übrigens die 5 %, wo ich manchmal etwas ausgetauscht habe).

Spielfeldrand: „Man erfährt, dass du Stuttgarter und Franzosen nicht magst, dass einer deiner Freunde Hertha-Fan ist. Wie sieht das bei dir aus, drückst du neben Deutschland noch einer deutschen Bundesligamannschaft die Daumen?“
Mark Scheppert: Um das mal zu relativieren. Das mit den Stuttgartern und Franzosen hatte sich über die Jahre zu einem Running-Gag entwickelt und (man wird ja älter) mittlerweile habe ich auch einen guten Freund, der aus Stuttgart stammt und VfB-Fan ist.
Als Kind wurde mir, um mit Nick Hornby zu sprechen, der BFC Dynamo als Mannschaft gegeben. Eine Story dazu findet man in meinem Erstlingswerk „Mauergewinner“ oder auf Spiegel Online.
Nach dem Mauerfall konnte ich mich aus bestimmten Gründen nicht mehr mir meinem Team identifizieren, aber was besagt ein brasilianisches Sprichwort: „Eine Ehefrau kann man jederzeit wechseln, aber nie den Verein seines Herzens.“ Vielleicht auch ein Grund, warum ich mich zunehmend mit der Nationalmannschaft beschäftigt habe.
Sagen wir es deshalb diplomatisch: Ich freue mich, dass Hertha wieder in der 1. Bundesliga spielt und Union in der 2., da ich so mit Freunden, die mich mal aus Köln, Lautern, Hamburg, Dresden oder Frankfurt besuchen, jederzeit spontan zu einem Fußballmatch gehen kann – und da drücke ich als Berliner auch den Heimmannschaften die Daumen!

Spielfeldrand: „In meinem Blog Spielfeldrand – Das Magazin dreht sich alles um den 1. FC Köln. Welche Beziehung hast du zu meinen Geißböcken?“
Mark Scheppert: Ich finde, dass Kölner und Berliner oftmals den gleichen Humor haben und sich daher ganz gut verstehen. Leider war ich erst einmal in Köln im Stadion, in einer Saison als gerade: „Jetzt steigen wir wieder auf, dann steigen wir wieder ab, dann steigen … wir wieder auf, das finden wir lustig, weil wir bescheuert sind“, angesagt war. Entspannte Jungs mit viel Sinn für Ironie. Außerdem bin ich Poldi-Fan.

Spielfeldrand: „Was erwartest du von der Bundesligasaison 2011/2012? Wer wird Meister, wer überrascht, wer steigt ab?“
Mark Scheppert: Könnte ziemlich langweilig werden, da Bayern marschieren und der BVB nicht noch so einen Lauf erwischen wird. Hannover und Mainz werden diese Saison keine Rolle spielen, aber vielleicht überrascht uns ja die Hertha oder auch Köln. Bremen und Wolfsburg kommen zurück. Absteigen werden wahrscheinlich Augsburg und Freiburg.

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