Hyperlokal, aber wie?

Die Medienbranche sieht zwei große Elemente, um aus der Krise heraus zu finden. Während PaidContent nicht als das Zukunftsmodell angesehen wird, erhoffen sich die Verleger von Tablets, die in diesem Jahr einen richtigen Boom erreichen dürften, die größten Chancen, um neue Erlösquellen zu erzielen. Auf der anderen Seite, wird immer wieder hyperlokaler Journalismus genannt.

Hier gibt es Wachstumschancen und Möglichkeiten neue Anzeigenkunden zu gewinnen, die man bisher mit überregionalen Medien nicht ansprechen konnte. Der Bäcker um die Ecke soll aber zum Heilsbringer mutieren. Denn Leser wollen Nachrichten aus ihrer Nachbarschaft. Am besten auf hyperlokalen Plattformen, auf denen dann im Gegenzug lokale Geschäfte neue Kunden gezielt erreichen können. Ohne Streuverluste, wie es dann so schön heißt.

Nur weiß bisher keiner so richtig, wie das gemacht wird mit diesem hyperlokalen Journalismus.

Im Sommer war ich auf dem Freischreiber Zukunftskongress in Hamburg. Ich saß im Kurs “hyperlokaler Journalismus” und sah Teilnehmer verschwinden, da sie merkten, dass es gar nicht so klar ist mit dem hyperlokalen Journalismus.

was hyperlokal ist, muss auch profitabel sein.

So wollte eine Teilnehmerin nicht so recht verstehen, dass eine Plattform für Mütter in Hamburg-Altona zu hyperhyperlokal sei. Das hyperlokal eher bedeutet für Altona ein Webmagazin zu erstellen. Weil einfach eine gewisse Masse erreicht werden muss, um Reichweite zu erzielen und für potenzielle Werbekunden auch eine gewisse Leserschaft zu erreichen.

Doch selbst, wenn das verstanden ist, ist hyperlokaler Journalismus kein Selbstgänger.

Beispiel Patch.

AOL betreibt mit der Plattform seit anderthalb Jahren hyperlokalen Journalismus. 800 Blogs wurden bisher aus der Taufe gehoben. 800 Städte werden seitdem mit hyperlokalen Informationen versorgt. Basic Thinking hat mal inhaltliche Stichproben genommen:

Bei unserer Stichprobe scheint der Dienst aber seine Schuldigkeit zu tun: Aktuelle Berichte über die Schneelage der Haupteinkaufsstraße, Ergebnisse der örtlichen Basketballmannschaft, Bürgersprechstunde im Rathaus. Kurz: nichts, was auch nur eine Seele interessiert, die nicht in der Stadt wohnt. Lokalnachrichten eben. Test bestanden.

Inhaltlich stimmt es also. Trotzdem würde ich noch nicht sagen, dass Patch nun das Vorzeigemodell für hyperlokalen Journalismus ist. Denn trotz (oder wegen?!) Millioneninvestitionen steht Patch noch auf wackeligen Füßen. Ein Großteil der Amerikaner in den “belieferten Städten” kennt das Projekt gar nicht. Damit werden bei Beiträgen im Durchschnitt einhundert Leser erreicht. Herzlich wenig, wenn am Ende Profit erzielt werden soll. Das schaffen normale Blogger in Deutschland schon locker.

Bei Patch macht es die Masse. Die Masse an Blogs und die Masse an Beiträgen. Drei Millionen unique Visitors wurden im Dezember 2010 mit den Blogs erreicht. Was auch daran liegt, dass der eine feste Editor, der pro Blog engagiert wird (und bis zu 45.000 Dollar im Jahr verdient) fünf Artikel am Tag schreiben muss und dann noch durch freie Journalisten unterstützt wird. Dadurch dürfte sich eine ordentliche Anzahl an Beiträgen ansammeln, die die Blogs als gute Informationsquelle ansiedeln und die normale Blogger in Alleinarbeit kaum bewältigen können. Das sorgt für Klicks und Besucher (Google & Co. sei Dank). Gerade im Netzwerk mit den beachtlichen Zahlen.

Aber profitabel?
Besonders im lokalen Bereich?
Eher nicht!

Das Netzwerk lohnt sich sicherlich für amerikaweite Kampagnen. Doch empfiehlt sich da nicht auch ein klassisches überregionales Medium? Wenn man auf den Patch-Blogs schaut, sind auch kaum (keine?) nichtlokalen Anzeigen zu sehen.

Die lokalen Kunden lassen sich auch nur schwer mobilisieren, wenn lediglich einer von zehn Einwohnern das Portal kennt. Mit hundert Artikellesungen können die einzelnen Blogs an sich auch kaum werben. Das dürfte lokale Kunden nicht überzeugen.

Das scheint bei AOL jedoch erstmal unwichtiger zu sein. Patch soll weiter wachsen. 1.100 Blogs sind das nächste Ziel. Es geht um Reichweite. Es geht um Bekanntheit.

Doch bis dahin dürfte weitere Millionen den Fluss runter gehen. AOL geht mächtig in Vorleistung. Ob sich das später auszahlt, ist ungewiss. Misslingt der Patch-Test, schaufelt sich der Konzern ein eigenes Grab. Wird Patch bekannt und erfolgreich, müssen die hohen Investitionen erstmal wieder eingespielt werden.

Ein überregionales Netzwerk auf lokalen Blogs hat sicherlich hinsichtlich der Vermarktung einen Vorteil. Aber im Werbegeschäft hilft das nicht groß weiter. Denn lokale Unternehmen müssen gezielt angesprochen werden und mit einem individuellen hyperlokalen Medium hofiert werden.

Wie das genau gelingt?
Man weiß es nicht.

Es hängt auch in Zukunft viel mit individuellem Einsatz und Arbeitseifer, mit Leidenschaft und Willen der Macher zusammen, um hyperlokalen Journalismus erfolgreich zu gestalten.

Ich denke, dass in diesem Bereich noch viele Möglichkeiten stecken. Ein solches Projekt ist aber nur schwer zu gestalten. Als Einzelperson dürfte es schwer werden, dass neue Medium am Markt zu platzieren und eine gewisse Größe zu erreichen. Als Netzwerk besteht die Gefahr “Einheitsblogs” zu produzieren, die sich lokal schwierig verkaufen lassen.

Es kann gelingen. Es wird gelingen. Aber nicht in jedem Fall und nicht in der breiten Masse. Besonders nicht für alle großen Verlagshäuser. Wohl eher durch Einzelpersonen oder Unternehmen, die sich auf diese Nische konzentrieren.

Und so dürfte auch in Zukunft weiter gefragt werden: Hyperlokal, nur wie?

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