I

Wir fahren langsam in den Bahnhof ein. Einige Pendler warten bereits an der Tür. Ich geselle mich dazu und lasse meinen Blick nach unter wandern. Er bleibt am Knöchel eines anderes Mannes hängen. Dort prangt ein auffälliges Tattoo.

Ich sehe ein großes I.
Rechts daneben wurde ein rotes Herz in die Haut gestochen.
Darunter eine dicke schwarze Linie.
Wiederrum darunter prangt in schwarzen Lettern „Ende“

I <3 Ende.
Kurz überlege ich, ob Ende ein englisches Wort sein könnte, verwerfe es recht schnell und möchte mich kurz über das Denglisch aufregen. Bleibe aber am Inhalt hängen.

I <3 Ende.
Ich liebe Ende.
Es fehlt ein „das“. Verbuche ich als künstlerische Freiheit. Aber was soll das bedeuten. Liebt da jemand das Ende des Lebens oder seines Körpers. Im zweiten Fall müsste das Tattoo dann aber konsequenterweise auf der Fußsohle stehen. Sehen dann halt nur wenige, dürfte aber manchen Pathologen erheitern.
Aber kann jemand das wirklich schön finden oder so meinen.

Als ich noch darüber grübel entdecke ich, dass die schwarze Linie zwischen „I <3“ und „Ende“ gar keine Linie ist, sondern ein Wort. So vergleichsweise klein und eng geschrieben, dass man es leicht übersehen kann. Dezent und angestrengt starre ich weiterhin auf den Knöchel des fremden Mannes. Der erste Buchstabe ist ein W. Ich feiere meine Adleraugen. Doch dahinter wird es schwammig. Ich stiere hin, versuche Muster zu erkennen, einzelne Linien und Buchstaben.

Durch das Fenster der Bahntür sehe ich bereits den Bahnsteig. Eile. Blick schärfen. Jetzt.
W – i – n – t -e -r
Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht. Nicht nur wegen meiner erledigten Aufgabe, sondern wegen dem Inhalt des Tattoos.
I <3 WinterEnde.
Am Knöchel eines Mannes.
Ein Tattoo, das erst zum Vorschein kommt, wenn die Temperaturen wärmer werden und das Tragen kurzer Hosen erlaubt.
Winterende.

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