Das Ende einer Ära oder back to the roots?

“Ich will möglichst schnell dahin, wo ich schon einmal war.”

Mit diesen Worten ging Ralf Rangnick im Sommer 2006 seine neueste Herausforderung an. Der Bundesligatrainer hatte überraschend einen Vertrag bei der TSG 1899 Hoffenheim unterschrieben. Rangnick heuerte bei einem Regionalligisten an, den bis dahin nur die wenigsten Fußballfans kannte.

Dabei wollte Rangnick eine Vision leben, eigene Ideen umsetzen und neue Maßstäbe setzen. Ein “einmaliges Projekt in Deutschland” sollte der erfahrene Fußballlehrer mit Leben füllen und die Hoffnungen von Mäzen Dietmar Hopp erfüllen.

Dabei war für Rangnick schnell klar, wohin die Reise gehen sollte. In die erste Liga. Dafür wurde er anfangs belächelt und später verflucht. Denn spätestens, als Hopp Millionen in den Zweitligakader pumpte, um junge ausländische Talente ins Kraichgau zu holen, mutierte der Verein zum Hassobjekt vieler Fußballanhänger.

Dabei stand bei den Hoffenheimern von Beginn an auch die Jugendförderung im Mittelpunkt. “Wir haben eine ganze Heerschar junger Spieler. Es geht bei uns um Konzepte, nicht um große Namen”, sagte Hopp in einemInterview mit 11 Freunde. “Dass ich so einen Supertrainer gekriegt habe, wundert mich selbst. Ohne unsere Jugendarbeit wäre er nie gekommen.”

Hoffenheim wollte sich den Ruf eines Ausbildungsvereins machen, der junge Talente fördert, um sie später auch mit guten Gewinnen abgibt. Dabei richtete sich der Blick beim Scouting auch auf das Ausland. Genau das war es auch, was die Kritik steigen ließ. Denn selbst ausländische Nachwuchskräfte kosten ihr Geld. Doch dank der Millionen vom SAP-Chef Hopp war das das kleinste Problem.

Was besonders 2007 deutlich wurde, als der damalige Zweitligist fast 20 Millionen Euro Ablöse bezahlte, um bis dahin unbekannte Spieler, wie Carlos Eduardo (19 Jahre, 7 Millionen Euro), Chinedu Obasi (21, 5 Mio), Demba Ba (22, 3) und Luiz Gustavo (19, erst Leihe, später Kauf für 1 Million Euro) zu 1899 zu locken.

Doch das Konzept ging auf. Bereits nach zwei Jahren stieg Hoffenheim unter Rangnick in die erste Liga auf. Dabei beruhte alles auf die Symbiose von Hopp als Geldgeber und Rangnick als “sportlichem Vordenker”. Der “Professor”, wie er auf Grund seiner analytischen Fähigkeiten genannt wird hatte den Verein umgekrempelt, moderne Strukturen eingeführt und dabei die Basis für die Erfolge gelegt. Dabei war die Rollenverteilung klar.

“Er hat mit dem operativen Geschäft nichts zu tun und lässt mir freie Hand. Ich habe Hopp gesagt, dass ich mit seinem Geld so umgehen werde, als wäre es mein eigenes”, beschrieb Rangnick jüngst in den Ruhr Nachrichten die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Mäzen.

Die Marschroute blieb auch in den kommenden Jahren bestehen. 1899 nahm vorrangig junge Spieler unter Vertrag, sorgte aber auch für Erfahrung. Timo Hildebrand (29 Jahre, kam in der Saison 2008/2009), Josip Simunic (31, 2009/2010) und Tom Starke (29, 2010/2011) waren die wenigen routinierten Neuen im Kader.

Und doch bröckelte das Konzept.

Denn der junge und unerfahrene Kader konnte den Erwartungen nicht gerecht werden. Nach einer starken Vorrunde 2008, brach das Team in der Rückrunde und verpasste als Siebenter nur knapp das internationale Geschäft. Es folgte Rang elf in der abgelaufenen Saison. Keine schlechte Bilanz für einen Bundesliganeuling, aber zu wenig für die Mannschaft mit diesen Ambitionen.

Zu schnell wurde im Umfeld vergessen, wie rasant der Aufstieg verlaufen war und wo der Klub noch vor wenigen Jahren gestanden hatte. Anscheinend auch intern. Denn Dietmar Hopp schob sich in den letzten Wochen verstärkt in den Vordergrund und mischte sich doch in die sportlichen Belange von Rangnick ein. Was dem Trainer nicht passen konnte.

Deshalb kam es Ende letzten Jahres immer wieder zu Verunstimmungen. Besonders wenn es um Transferfragen ging. Denn während Rangnick nicht nur in die Bundesliga, sondern mittlerweile in die Ligaspitze wollte, verfolgte Hopp weiter seine Vision. Hoffenheim sollte ein Ausbildungsverein bleiben, der am Ende auch wirtschaftlich erfolgreich agiert.

Dafür waren Spielerverkäufe zwangsläufig. Vor der laufenden Saison wurde deshalb Carlos Eduardo für geschätzte 20 Millionen Euro an Rubin Kazan verkauft. Die hohen Investitionen der letzten Jahre waren damit zu einem beträchtlichen Teil wieder eingespielt. Rangnick schluckte die bittere sportliche Pille, weil er sich dadurch wahrscheinlich auch Ruhe in weiteren Transferfragen erwartete.

Doch die Situation eskalierte im Winter 2010. Der FC Bayern München bekundete offen sein Interesse an Luiz Gustavo. Der Brasilianer hatte einen enormen Entwicklungssprung unternommen und war zum absoluten Leistungsträger von Hoffenheim geworden. Ein wichtiges Puzzleteil im Team von Rangnick. Ein Spieler, den Rangnick unbedingt an den Klub binden wollte, um weiterhin erfolgreich bei 1899 zu arbeiten.

In diesem Moment ging Hopp überraschend forsch in die Offensive. Nach einigen Wochen voller Gerüchte verkündete der Mäzen, dass der 22-jährige den Verein sicher im Sommer 2011 verlassen würde. Damit ging er deutlich auf Konfrontationskurs zu Rangnick, der einem beschlossenen Abschied stets wiedersprochen hatte. Das Tischtuch war zerschnitten.

Endgültig zum Jahreswechsel, als Hoffenheim den Abschied von Luiz Gustavo bereits im Winter verkündete. Für eine Ablöse von 15 Millionen Euro verließ der Mittelfeldstratege den Klub Richtung München. Anscheinend ohne Zustimmung und Absprache mit Rangnick. Der Trainer fühlte sich übergangen.

Frühere Absprachen wurden gebrochen und der Trainer, der zuvor auch schon in Stuttgart, Hannover und Gelsenkirchen am Spielfeldrand stand zog seine Konsequenzen. Der Vertrag wurde mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Die Ära Rangnick im Kraichgau ist damit zu Ende. Nach viereinhalb zumeist erfolgreichen Jahren.

Doch wie geht es nun in Hoffenheim weiter?

Mit Marco Pezzaiuoli übernimmt der bisherige Co-Trainer das Zepter. Für den 42-jährigen ist es die erste Profistation als Trainer. Zuvor war er Co- und Interimstrainer beim Karlsruher SC, Co-Trainer bei Suwon Bluewings in Südkorea, Cheftrainer in Trier und am Ende in der Nachwuchsarbeit beim Deutschen Fußball Bund. Mit den U17-Junioren wurde er 2009 Europameister und wechselte vor der aktuellen Saison nach Hoffenheim.

Dort ist er nun schneller als erwartet mit großer Verantwortung ausgestattet. Dabei könnte man die Vermutung äußern, dass sich Hopp diesmal bewusst für einen jungen, unerfahrenen Trainer entschieden hat, der sich nicht so bewusst gegen den Mäzen stellen würde.

Vor allem aber hat sich Pezzaiuoli große Lorbeeren in der Nachwuchsarbeit verdient und passt damit perfekt zum Hoffenheimer Konzept. Es ist zu vermuten, dass er mit Spielerabgängen weniger Probleme haben dürfte, wie der ambitionierte Rangnick. Dafür kennt er die deutsche Nachwuchsszene, wie kaum ein anderer und dürfte damit auch deutsche Talente ins Kraichgau locken.

Die Vision dürfte in den kommenden Jahren weiterleben. Vielleicht erstrahlt das Konzept des “Ausbildungsvereins Hoffenheim” demnächst sogar noch heller, als je zuvor. Fraglich dürfte dabei aber die sportliche Entwicklung bleiben. Kann sich Hoffenheim mit dieser Veränderung auf weiterhin und dauerhaft in der oberen Tabellenhälfte etablieren.

Denn der Erfolg der TSG beruht zu großen Teilen auf der akribischen Arbeit von Rangnick. Sein Willen, Erfolg zu haben hat Hoffenheim schnell als einen berechtigten Erstligisten in der Bundesliga erscheinen lassen und nicht als einen Aufsteiger.

Hoffenheim spielt mit diesem Schritt ein Vabanquespiel, bleibt seinen Prinzipien damit aber treu. Wie ernst es Hopp mit seinem Konzept ist, wird sich jedoch erst dann zeigen, wenn die Mannschaft doch in Abstiegsnot geriet oder gar den Gang zurück in die Zweitklassigkeit gehen muss.

Eine Mannschaft, wie der SC Freiburg hat in den letzten beiden Jahrzehnten bewiesen, dass man auch dann an seinen Zielen und Visionen festhalten kann. Ob das jedoch auch bei einem Klub mit den Ambitionen, wie in Hoffenheim klappt, bleibt die große Frage in den kommenden Monaten.

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