Wochen vor der Geburt unseres zweiten Sohnes, haben wir uns den Kopf zerbrochen, wie man den dann großen Bruder auf die neuen Herausforderungen vorbereiten kann. Wie schaffen wir es, dass er den Kleinen von Beginn an akzeptiert und versteht, was hier überhaupt passiert. Das war umso schwieriger, da er selber erst 20 Monate war, als sein kleiner Bruder zur Welt kam. Da war das mit dem Erklären schwierig.
Wir versuchten es trotzdem. Wir redeten immer wieder über den kleinen Jungen, der in Mamas Bauch wuchs. Es war ein Glücksgefühl, als er den dicken Bauch das erste Mal küsste. Egal, ob er verstand, dass dort ein neuer Mensch heranwuchs.
Wir schenkten ihm ein Buch, in dem es um den großen Bruder ging. Wir schauten es einige Male mit ihm an. Doch obwohl er Bücher für sich entdeckte, landete dieses immer wieder in der Ecke.
Wir hatten leichte Sorgen, dass er sich vom Thron gestoßen fühlen könnte und er mit seiner bockigen Art zur Belastung werden könnte. Ich selber war eher positiv, dass es er gut meistern würde. In den kritischen Phasen würden wir ihm beistehen.
Ich malte mir schon aus, wie ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen würde, um seiner Mama mit dem Kleinen etwas mehr Ruhe und Zeit zu verschaffen. Ich malte mir aus, wie wir tolle Sachen erleben würden und fing an erste Pläne zu schmieden. Ich freute mich auf die Papa-Sohn-Zeit. Der Große würde sie lieben, denn gerade in der freien Weihnachtszeit hatte ich nochmal gesehen, wie sehr er es genießt, wenn ich tagelang für ihn da bin.
Dann war der Kleine da, zog bei uns ein und der Große machte es eigentlich ganz gut. Er beobachtete seinen kleinen Bruder, gab ihm Küsse und rief seinen Namen. Sogar die Tagesmutter berichtete, dass er mit einmal „erwachsener“ war.
Nur leider gab es auch andere Phasen. Minuten und Stunden, in denen er bockte. Momente, in denen er waghalsig um Aufmerksamkeit kämpfte. Zeiten, in denen er kopflos tobte und dabei zur kleinen Gefahr für seinen Bruder wurde.
In diesen Situationen kam ich selber nicht mehr richtig an ihn ran. Von wegen Papazeit. Jetzt merkte ich, dass ich auf dem komplett falschem Dampfer war. Der Große sag sofort, dass Papa weiterhin (fast) immer für ihn da sein konnte. Nur seine Mama war eingeschränkt. Sie konnte ihn nicht mehr auf den Arm nehmen, sie war zu schwach, um rumzutoben und vor allem hatte sie den Kleinen oft und lange auf dem Arm und an der Brust. Zeiten, in denen sie sich nicht wie bisher um ihn kümmern konnte.
Ich als Papa war ihm wichtig, aber die Nähe und Aufmerksamkeit war noch wichtiger. Das macht absoluten Sinn, war mir vorher aber gar nicht so bewusst gewesen.
Wir sind dazu übergegangen, dass meine Frau noch bewusster auf ihn achtet, dass wir beide allgemein seine Wünsche aufmerksamer erkennen. Gleichzeitig haben wir unsere Antennen besser justiert und ich schnappe mir den Großen rechtzeitig und proaktiv, sobald wir das Gefühl haben, dass etwas in die falsche Bahn driften könnte. Dann gehe ich mit ihm in den Garten oder lenke ihn in der Küche ab. Das hilft ihm runter zu kommen. Und damit uns. Als Familie.