Doch ziemlich überraschend hat sich der 1. FC Köln von Volker Finke getrennt. Damit hätte ich nicht mal im Ansatz gerechnet. Es verwundert und ist höchst ungewöhnlich, dass der Trainer am längeren Hebel sitzt und nicht der Sportdirektor. Solbakken scheint in den Augen vom Verwaltungsrat das bessere Konzept zu haben, als Finke. Wie Finkes Planungen aussahen, mag ich nicht zu beurteilen. So richtig klar war mir das nicht. Solbakken hat mir von Anfang an gefallen mit einem eigenen, unkonventionellen Ansatz. Neues System, neue Spielordnung. Das braucht Zeit. Die er jetzt erhält.
Gegen Finke mag ich nicht nachkarten.
Dass ich mit ihm nicht immer konform lag, könnt ihr ja nachlesen, wenn ihr wollt. In Freiburg hat er großartig gearbeitet, bringt sicherlich Fußballsachverstand und viele Kontakte mit. In Köln war es aber nicht umsetzbar, so wie er es wollt.
Trotzdem: Alles falsch hat er sicherlich nicht gemacht! Unter seiner Regie wurden Rensing, Peszko und Eichner geholt (er war Ende 2010 sicher in den Transfers schon involviert, auch wenn er erst Anfang 2011 seinen Dienst offiziell antrat), die mithalfen, dass der EffZeh eine starke Rückrunde spielte. Zum Ende der Saison drehte er drei Spiele lang an den richtigen Stellschrauben, um mit drei Siegen (unter anderem gegen Leverkusen und Schalke) den Klassenerhalt und Platz 10 zu sichern.
Finke war es, der Solbakken von einem Engagement in Köln überzeugte. Er hätte auch Nationaltrainer werden können. Dass gerade das zerrüttete Verhältnis zu seinem Trainer sein Aus bedeutete, ist umso verwunderlicher.
Er verhandelte so gut, dass Jajalo zu einem guten Preis fest verpflichtet werden konnte.
Er holte Sereno und Jemal ans Geißbockheim. Installierte mit Roshi und Ishak zwei Talente mit Zukunft in Köln.
Sicherlich, es lief auch einiges (mächtig) schief, aber zum Finkebashing hole ich nicht mehr aus, sondern sage danke für das geleistete und bedanke mich doch beim Verwaltungsrat für seinen Mut!
Der Zeitpunkt mitten in der Saison nach einem Sieg, verwundert ein wenig. Der Sieg war aber wichtig, damit Finke nicht endgültig als Sündenbock auserkoren wird, denke ich. Da hat man sich fair geeinigt. Vielleicht war man sich schon früher sicher, dass ein Sieg Finkes Ende bedeuten könnte.
Dr. Wolf hat zumindest zahlreiche Gespräche geführt, die zu diesem Schritt führten. Sicherlich nicht erst gestern nach dem Sieg.
Wie geht es jetzt weiter?
Geschäftsführer Claus Horstmann sprach im Doppelpass davon, dass die Entscheidung “rechtzeitig zur Planung für die kommende Spielzeit” getroffen wurde. Mein Reden. Langsam muss man anfangen zu planen. Jetzt kann man sichten, erste Gespräche führen und vielleicht das erste Schnäppchen verpflichten.
Aber – und jetzt kommt es – kurz danach ließ er durchblicken, dass man keinen Druck bei der Nachfolgersuche habe und es “einige Wochen” dauern kann.
Ganz klar, der neue Sportdirektor (wie auch der neue Präsident) muss einfach passen und das intern festgelegte Konzept mittragen. Das bedarf Zeit. Wenn man aber bedenkt, dass man sich schon länger mit der Entscheidung beschäftigt hat, sollte man jetzt schon eine erste Liste mit möglichen Kandidaten haben und handeln. Denn die Zeit, die jetzt vergeht, fehlt später bei der Planung und Neuausrichtung!
Frank Schaefer soll zumindest stärker eingebunden werden, was die Kölner Fanseele erfreuen dürfte und für eine Zukunft mit jungen Kölnern spricht. Vielleicht erhält auch Frank Engels mehr Verantwortung. Dessen Vertrag wurde ja gerade erst ausgedehnt.
Mal sehen, ob jemand aus der zweiten Mannschaft hochrückt und welcher von den ausgeliehenen Talenten (Yabo, Yalcin), zu denen Schaefer in dieser Saison Kontakt hält unter Solbakken 2012/2013 eine Chance erhält.
Aktuell drängt sich hierfür Kacper Przybylko auf. Der Angreifer hat am Wochenende mal wieder in der zweiten Mannschaft getroffen und hat damit drei Tore in fünf Spielen auf seinem Konto. Przybylko wurde übrigens ebenfalls in der Ägide von Finke geholt.
Mehr Gedanken zu Finkes Rücktritt findet ihr auch beim vierten Offiziellen.
Vor der Trennung gab es im übrigen noch einen extrem wichtigen Sieg.
Ich hatte vorher ja schon gesagt, dass der Verlierer “beste Chancen” auf den Relegationsplatz hat. Das sollte verhindert werden. Und wurde es auch. Weil der EffZeh agierte. Weil die Spieler wollten, früh Druck machten, Hertha gerade in der ersten Halbzeit früh störte und dadurch näher am gegnerischen Tor in Ballbesitz kam. Weil Chancen herausgespielt wurden. Weil wir endlich Kampf und Willen gesehen haben. Selbst nach einer Niederlage wäre ich mit dem Auftritt zufrieden gewesen. Aber wir konnten ein 1:0 bejubeln. Einen Siegtreffer, der zwar aus einer Abseitsentscheidung entstand. Aber man muss ja auch mal Glück haben.
Das Pech holte uns im zweiten Abschnitt ein. Jajalo unterstrich, dass er aktuell keine Hilfe für uns darstellt (seine rote Karte war noch kein Pech!). Der Platzverweis von Podolski war absolut lächerlich. Der Junge will sich aus dem Klammergriff befreien und hält sich danach clevererweise aus dem ganzen Tumult raus, muss aber trotzdem vom Platz. Totale Fehlentscheidung. Aber Tatsachenentscheidung, so dass Poldi dem EffZeh ein oder zwei Spiele fehlen dürfte. Gerade gegen Hannover hätten wir ihn noch gut gebraucht.
Aber jetzt müssen die restlichen Spieler zeigen, dass der Auftritt gegen Berlin keine Eintagsfliege war. Dass sie so eine Leistung auch ohne ihren Topspieler abrufen könen (wichtig auch in Hinblick auf die kommende Saison). Wenn Novakovic dann endlich wieder seine Chancen nutzt, haben wir auch bei den 96ern eine berechtigte Chance.
Wie viel Druck auf Solbakken lastete, sah man dann nach Abpfiff.
Um 17:23 Uhr explodiert Müngersdorf. Stale Solbakken rennt wie Pablo Guerrero über den Platz, hat aber ein anderes Ziel. Nach einem Sprint über vierzig Meter haut er nicht den -ihm entgegen kommenden- Hertha-Torwart Kraft von den Beinen, sondern baut sich vor der Südkurve auf und dreht durch. Komplett. Er schreit, er ballt die Fäuste, schreit nochmal und noch jetzt (sechs Stunden später) läuft es mir eiskalt den Rücken runter, denn diese Emotionalität, diese Erleichterung, diese Achterbahnfahrt, die wir an diesem Nachmittag erleben, durchleben, erleiden durften und mussten kumuliert in diesem Moment zu einem einzigen schwerelosen Jubel.
Ein Moment für den Jahresrückblick. Schon jetzt. Dass sein exzentrischer Jubel was mit Finke zu tun hat, finde ich komplett übertrieben. Solbakken musste siegen. Er war zuletzt auch in Interviews arg angespannt und nicht mehr so locker, wie zum Dienstantritt (völlig verständlich!). Er brauchte den Dreier. Der Druck ist von ihm abgefallen. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich ihn so sehe.
Vielleicht war es die Wende.
Für diese Saison und möglicherweise für mehr…
Demnächst gibt es dann hoffentlich nur noch Sportliches hier im Blog.