Wer sich gestern die erste Halbzeit von Deutschland – Finnland bei der U21-Europameisterschaft angeschaut hat, dem konnte nur Angst und Bange werden. Das Spiel wirkte fahrig, etliche Zweikämpfe wurden verloren und kaum ein Platz in die Spitze kam an. Ohnehin die Spitze. Es ist das Gesprächsthema bei dieser EM. Während Deutschland in Tor, Abwehr und Mittelfeld hochklassig besetzt ist, klafft in der Spitze ein großes Loch.
Lediglich einen etatmäßigen Stürmer hat Trainer Horst Hrubesch mitgenommen.
Und selbst dem traut er nicht allzu viel zu. Erst in der 84. Minute durfte Sandro Wagner den Rasen betreten. Derweil mühten sich abermals Özil und Dejagah in vorderster Front. Mittelfeldspieler, die eigentlich aus der Tiefe kommen und hier ihre besten Möglichkeiten ausspielen können. Es wurde mehr als deutlich, dass vor ihnen jemand fehlt. Da täuscht auch das Tor des Wolfsburgers und die beiden Vorlagen von Özil nicht über das größte Problem des DFB-Teams hinweg.
Als Favorit wurde die Mannschaft ins Rennen geschickt. Von allen Experten hörte man im Prinzip nur, dass nur der Titel zähle.
Aber wie soll das gelingen ohne Stürmer?
Ich hoffe inständig, dass uns Hrubesch nicht diese Chance nimmt. Gerade er als ehemaliger Sturmtank sollte doch viel mehr verstehen, wie wichtig ein richtiger Angreifer ist, der weiß, wo das Tor steht. Tut er aber nicht. Aufgrund eines Überangebotes von genialen Mittelfeldspielern verzichtet er gänzlich auf den Bereich Attacke.
Fahrlässig aus meiner Sicht. Zumindest Wagner sollte gesetzt sein.
Schließlich hat er in dieser Saison im Dress des Meidericher SV bewiesen, dass er die Rolle ausfüllen kann. Sieben Tore glückten ihm immerhin. Acht Mal legte er zudem für seine Mitspieler auf. Dabei gelangen alle Tore in Spielen, wo er mindestens 80 Minuten auf dem Feld stand. Das war in der abgelaufenen Saison nur 13 Mal der Fall. Per Milchmädchenrechnung eine Quote von gerundet einem Tor in zwei Spielen. Ganz ordentlich für einen jungen Spieler in Liga zwei. Bei seinen Vorlagen sieht es ähnlich aus. Nur ein einziges Mal legte er auf, als er nur eine Halbzeit ran durfte. Die restlichen Vorlagen steuerte er bei mindestens 80 Minuten Spielzeit bei. Ergo: Darf er mindestens 80 Minuten spielen, ist er an mindestens einem Tor pro Spiel beteiligt!
Auch wenn er die Quote in der Nationalmannschaft nicht zwangsläufig halten kann, frage ich mich trotz allem, warum man sich dieser Stärke beraubt.
Erst recht, da Dejagah keine überragende Saison gespielt hat und Marin aktuell Probleme hat seine Leistung abzurufen.
Hoffentlich scheitern wir nicht deshalb am Erreichen des Ziels.
Dann wird sich Hrubesch auch die Frage stellen müssen, warum er nur einen etatmäßigen Angreifer mitgenommen hat.
Sicherlich – und da muss ich ihn in Schutz nehmen – große Auswahl hatte er nicht. Hochklassig überzeugte neben Wagner keiner der jungen Deutschen in der letzten Saison. Aber zwecks ausgeglichenem Kader täte mindestens ein zweiter Stürmer gut.
Dafür hätte man auch gut und gern auf einen Ede verzichten können. Oder gar auf einen Grote. zur Not auch auf einen Dejagah.
Gerade Ede’s Berufung erschließt sich für mich überhaupt nicht. Von seinen zwölf Spielen für Duisburg absolvierte er nicht ein einziges über 90 Minuten. Mit einem Saisontor konnte er auch nicht nachhaltig auf sich aufmerksam machen.
Da liegt die (durchaus böse) Vermutung nahe, Hrubesch hat sich nur Duisburger Spiele angeschaut, um Offensivkräfte zu finden.
Vielleicht hätte er aber auch mal in Unterhaching vorbei schauen sollen, wo Anton Fink stolze 21 Drittligatreffer erzielte. Ein besseres Bewerbungszeugnis kann ein Sturmtalent bei der Angriffschwäche eigentlich gar nicht ausstellen.
Eine bessere Wahl (als Stürmer Nummer zwei) wäre zudem Kevin Schindler von Hansa Rostock gewesen, der in 32 Spielen von Beginn an nur acht Mal ausgewechselt wurde, dabei zwar nur fünf Treffer erzielt, aber immerhin zwölf mal aufgelegt.
Und wenn Hrubesch lieber auf ein (über)breites Mittelfeld setzt, wären Münchens Thomas Müller (4 Bundesliga, aber vor allem 32 Drittligaspiele, 15 Tore), Lars Stindl (4 Bundesligatore für den KSC) und Arne Feick (33 Spiele, 10 Tore für Drittligist Erzgebirge Aue) eine aus meiner Sicht bessere Wahl als Ede.
Aber vertrauen wir mal dem Horst, dass er weiß, was er da macht. Wenn uns am Ende Wagner und Ede doch noch zum Titel schießen, werde ich demütig auf die Knie gehen und um Verzeihung betteln.