Dass sich Künstler ein Alter Ego erschaffen, ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Doch was bei Lady Gaga aus New York hervorragend funktioniert, hat sich bei The Boss Hoss aus Berlin längst abgenutzt. Die zerschundenen Jeans weisen darauf hin, dass die sieben Jungs viel zu lange im Cover-Sattel gesessen haben. Originalität? Fehlanzeige. Alles wirkt kopiert und einstudiert. Mit Fluppe im Mundwinkel, weiÃen Unterhemden und Cowboyhüten stehen sie auf der Bühne wie billige Kopien alter Westernhelden. Welthits wie „I Say A Little Prayer“ werden in die ewig gleichen Rhythmusstrukturen gepresst und mit überzogenem Redneck-Slang präsentiert. Das ist schon lange nicht mehr lustig, sondern langweilig und nervig wie alter Kautabak zwischen den Zähnen.
… schreibt die PRINZ über The Boss Hoss.
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Die Country-Rocker sind aktuell wieder auf Tour. „Low Voltage“
Gestern waren sie in Hamburg. Keine Ahnung, was die Leute der PRINZ von The Boss Hoss wissen, aber irgendwie stimmt da nur noch wenig. Die Zeit, wo sie lediglich Welthits covern ist ohnehin lange vergangen. Die Jungs sind schon seit Jahren mit eigenen Kompositionen unterwegs. Und das extrem gut und einfach nur passend.
Langweilig? Wieso? Weil sie sich treu bleiben und ihre Schiene konsequent durchziehen? Dann ist der GroÃteil der Pop-Künstler langweilig. The Boss Hoss haben sich eine Marke aufgebaut und es würde die Fans eher erschrecken, wenn sie plötzlich ohne Unterhemd und Cowboy-Hut auf der Bühne stehen würde.
Das sich eine Band trotz dieser „Zwänge“ weiterentwickeln kann, bewies die Band gestern mal wieder eindrucksvoll. Statt Bier gab es auch gepflegten Rotwein. Statt nur Vollgas, präsentierten sie auch gedämpftere Songs. Statt Gitarre und Schlagzeug, gab es gestern noch ein gesamtes Orchester. Aus Babelsberg waren knapp 20 Leute auf der Bühne, die dem gesamten Konzert einen eigenen Touch gaben. Etwas erhabenes und trotzdem durchgeknalltes. Stimmung, die einfach mitreiÃt und im letzten Drittel des zweistündigen Auftrittes auch die älteren Semester im Innenraum der Laeiszhalle von ihren Sitzen riss.
The Boss Hoss sind immer noch da. Immer noch beeindruckend und trotzdem irgendwie neu.
Wahrscheinlich schreibt die PRINZ, die ich sonst sehr schätze, dass es langweilig sei, einen auf „(MTV) unplugged“ zu machen und sich ein paar musikalische Feingeister hinzu zu holen. Aber gerade damit bewies die Band ihre Wandelbarkeit (ohne das typische BH-Feeling aufzugeben) und brachte dem jüngeren Publikum den unterschätzten Charme von (rockiger) Klassik näher. Schon deshalb lohnt sich diese Tour.
Und natürlich wegen der The Boss Hoss-Inszinierung an sich. Mit lässigen Sprüchen, einem coolen Auftritt und der Fluppe im Mundwinkel.